Zeiten des Umbruchs im Müll Museum

Für eine gut bekannte Institution im Soldiner Kiez beginnt eine neue Phase: Zu Ende Dezember läuft der Mietvertrag des Müll Museums für die Räumlichkeiten in der Stephanuskirche regulär aus. Nach zwei Verlängerungen des Mietvertrages wird der von Beginn an als temporärer Standort geplante Raum an der Soldiner Straße Ecke Prinzenallee aus organisatotischen Gründen zum Ende dieses Jahres verlassen. 

Ein Grund dafür ist die anstehende Sanierung an der Außenfassade der Kirche, da ein neuer Investor der Kirche möglichst bald neues Leben einhauchen möchte. Eine Baustelle ist für Kinder, die an den Workshops im Müll Museum teilnehmen, nunmal kein geeigneter Ort, erklärt Lena Reich, eine der führenden Kräfte im Müll Museum. Gemeinsam mit drei bis vier anderen Frauen und gestützt durch den Müll Museum e.V. leitet sie das 2018 als Quartiersmanagementprojekt eingeführte Museum im Soldiner Kiez. 

Das Müll Museum baute auf einem QM-Projekt für Romanes sprechende Kinder aus vorherigen Jahren auf: Das neue Projekt sollte zwei Themen, die den Soldiner Kiez besonders bewegen – Antiziganismus und Müll – verbinden und mit Zugang für alle Personen, aber vor allem für die Kinder und Jugendliche im Kiez, aufarbeiten. Daher gibt es im Müll Museum, das nur aus einem Raum besteht, eine Ecke zu politischer Säuberung und der Historie von Antiziganismus im Soldiner Kiez, die Fragen danach stellt, wer oder was sauber beziehungsweise schön ist. 

In den restlichen Kunstwerken des Museums werden weitere politisch aktuelle und bewegende Themen aufgegriffen: Flucht, Verpackungsmüll, Sexismus, Konsumkritik, Rassismus und Hinterlassenschaften technischer Geräte sind nur einige der breiten Themenfelder, zu denen die Arbeiten im Museum Gespräche anregen. Die Kunstwerke aus wiederverwendeten Materialen, anhand derer die Themen mit Fokus auf soziale Gerechtigkeit diskutiert werden sollen, sind teils von Künstler*innen und teils gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus dem Kiez gestaltet. 

Diese Kunstwerke suchen nun ab Januar ein neues Eigenheim. Die Hauptidee besteht bisher darin, eine Art Wanderausstellung im Kiez zu organisieren oder einzelne Kunstwerke gar ein wenig entfernt vom Kiez im Gesundbrunnen Center auszustellen, bevor sie versteigert werden könnten. „Ich gehe auch ins Humboldt-Forum“, scherzt Lena Reich. Sollte es jedoch bereits jetzt Interessent*innen für einzelne Werke geben, können diese schon erworben werden.

In Bezug auf jegliche übrig bleibenden Zukunftsfragen kann das Müll Museum auf ein breites Netzwerk vertrauen, das die Initiatorinnen über die Jahre im Kiez aufgebaut haben. Ihnen war es von Anfang wichtig, nicht gegen, sondern mit den übrigen Akteur*innen im Kiez zu arbeiten, erzählt Lena Reich. Die gelernte Kunsthistorikerin hat gemeinsam mit ihren Kolleginnen von Beginn an versucht, darauf zu achten, dass das Museum einen inhaltlichen Mehrwert für den Kiez bietet, das durch die Arbeit von Vereinen wie Mensch im Mittelpunkt e.V. und anderen ergänzt werden kann. So haben sich Kooperationen ergeben, in denen Essen, das andere Personen bereits als „Müll“ empfunden haben, für die Berliner Tafel gerettet wurde und Fahrtgemeinschaften zum Transport der Lebensmittel organisiert wurden.

Das Geld aus dem Projektfonds des Quartiersmanagements Soldiner Straße/Wollankstraße hat bisher vor allem Mietkosten und die Öffnung des Museums jede Woche Freitag sowie das Straßentheater „Lauter Müll“ finanzieren können. Bis das Müll Museum endgültig der Geschichte angehören soll, steht 2026 noch die Erstellung eines Kurzfilms an. Danach könne vor allem der Umgang mit der Müllthematik, die den Kiez vermehrt beschäftigt und besprochen wird, auf einer höheren Ebene gedacht werden, überlegt Lena Reich. Denn der Teufelskreis aus Müll, Ratten und noch mehr Müll entstehe vor allem durch einen Mangel an Vertrauen und Ansprechmöglichkeiten, die Anwohnenden durch ihre Hausverwaltungen und Hausmeister*innen fehlten.



Das Müll Museum hat zuletzt den Anwohnenden eine Gesprächsmöglichkeit für jegliche Themen von Müll bis Bürokratie und Einsamkeit, die auf dem Herzen liegen können, angeboten. Bis Ende des Jahres bleibt für das Museum selbst jedoch fürs Erste die Frage offen, wie es ab Januar weiter geht. Lena Reich fasst zusammen: „Ein neuer Raum im Kiez für das letzte Jahr wäre toll, aber eine Wanderausstellung in der näheren Umgebung bietet sich auch an.“ Ideen für Ausstellungsorte sowie Erwerbswünsche von Kunstwerken können direkt an Lena Reich und die weiteren Initiatorinnen des Müll Museums unter muellmuseuemsoldinerkiez@gmail.com weitergeleitet werden. Weitere Infos zur Arbeit des Museum gibt es in diesem Bericht zu einer Quartiersratsitzung vor Ort im April.

Text/Fotos: Kassandra Catrisioti-Forgione, Webredaktion