Vom Müll lernen

Vor zwei Wochen kam der Quartiersrat zu seiner monatlichen Sitzung zusammen, um wieder einmal Neuigkeiten aus dem Kiez auszutauschen und Genaueres über die Arbeit von Institutionen vor Ort zu erfahren. Dieses Mal war der Quartiersrat im Müll Museum Soldiner Kiez zu Gast und konnte dort einen Einblick in die Ausstellung und Bildungsarbeit des Museums in der Stephanuskirche gewinnen.

Das kostenfrei zugängliche Museum stellt rund 30 Kunstwerke aus, die – zum Teil von seinen Gästen – mit Müll aus dem Soldiner Kiez gestaltet wurden. Dabei stellt sich schnell die Frage danach, was Müll überhaupt ist, und es wird deutlich, dass ein allgemein unterschiedliches Verständnis davon besteht. Obwohl die Ausstellung auf einen einzigen Raum reduziert ist, bietet sie ausreichend Gesprächsstoff.

Für das Museum ist zentral, dass der Müll aus dem Kiez hier bleibt und sich damit auseinander gesetzt wird, anstatt ihn an einen anderen Ort abzuladen. „Immerhin beschäftigt es uns alle im Kiez“, sagt Lena Reich. Die Kunsthistorikerin und eine der Initiatorinnen des Museums erklärt außerdem, dass für sie die Ausstellung des Museums im Grunde ein Porträt des Soldiner Kiezes abbildet. Denn: Dadurch, dass der Müll ausschließlich aus dem Soldiner Kiez stammt, erzählt er seine ganz eigene Geschichte.



Die Quartiersratssitzung fiel dieses Jahr auf den Internationalen Tag der Roma. Passend dazu stellt Lena Reich ein recht politisches Beispiel für Soldiner Müll vor und zeigt auf die Überreste eines Buches von 1927. Die Geschichte von zwei Jugendlichen aus dem Kiez, die zur Gruppe der Sinti*zze und Rom*nja gehören, war eine der ersten, die im Mai 1933 auf dem Bebelplatz von Nationalsozialisten verbrannt wurde. Im Müll Museum behandeln die Kinder, die unter anderem bei den Workshops im Museum zu Gast sind, über die ausgestellten Werke aber auch andere Themen wie Flucht, das Recht am eignen Bild oder Femizide im Kiez.

Wen die Neugier gepackt hat und wer nun auch mehr über den Kiez erfahren möchte, kann das Müll Museum jeden Freitag von 13 bis 19 Uhr besuchen oder beim Deutschlandfunk in einen Beitrag über das Müll Museum im Soldiner Kiez rein hören. Im Museum fand im vergangenen Jahr auch der Müllgipfel statt, der zu verschiedenen Facetten des Müllthemas im Soldiner Kiez beraten hat. Ein ausführlicher Bericht zum Gipfel kann hier nachgelesen werden. Eine der Errungenschaften des Gipfels sind sieben Sperrmülltage, die in diesem Jahr gemeinsam mit der BSR im Soldiner Kiez durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang kann ein Termin schon vorgemerkt werden: Der erste Sperrmülltag findet am Freitag, den 02.05., von 8 bis 13 Uhr an der Soldiner Straße Ecke Prinzenallee statt.

Passend zum Thema hat sich ein Projekt des Müll Museums vorgestellt, das durch den Projektfonds des Quartiersmanagements Soldiner Straße / Wollankstraße finanziert wird: das Straßentheater „Lauter Müll“. Das Projekt richtet sich vor allem an sogenannte Lückekinder im Alter von 11 bis 13 Jahren und ist hauptsächlich an der Grüntaler Promenade sowie auf Straßenfesten aktiv. An der Grüntaler Promenade findet ab Mai wieder jeden Dienstag und Donnerstag nachbarschaftlich organisiertes Programm statt. Über mittlerweile Generationen von Kindern hinweg erarbeiten drei bis vier Theaterpädagoginnen, Puppenbauerinnen und Musikerinnen gemeinsam mit den Kindern Theaterstücke und die dazugehörigen Charaktere. Die Geschichten basieren zu einem großen Teil auf Erlebnissen der Kinder, die schließlich in Puppen-Form gebastelt werden.

Das Straßentheater setzt sich mit unterschiedlichen Themen auseinander und versteht sich als ein Kontakt- und Anknüpfungspunkt für Personen im Kiez. Ein wichtiges Ziel des Projekts besteht außerdem darin, den Kindern eine Stimme zu geben und ihren Ansichten durch das gemeinsam entwickelte Theaterstück eine Bühne zu bieten. „Die Kinder kommen mit ihren Ansichten und die verurteilen wir nicht, sondern wir arbeiten damit“, berichtet Susanne Schulze-Jungheim, eine der durchführenden Personen des Projekts. Die passionierte Theaterpädagogin ist einer der kreativen Köpfe hinter dem Straßentheater und begleitet das Projekt mit vielen Jahren an Erfahrung in der aufsuchenden Jugendarbeit.

Ein weiteres – im Kiez bereits gut bekanntes – Projekt, das etwas von sich erzählt hat, war das „Reallabor Temporäre Spielstraßen II: Alles rollt“. Der Träger, die Stiftung Freizeit GbR, wird Mitte Mai im Kieztreff Kamine gemeinsam mit weiteren Interessierten über die Verstetigung des Projekts durch die Nachbarschaft beraten. Bis die verlängerte Förderung aus dem Projektfonds Ende dieses Jahres ausläuft, kann sich die Nachbarschaft auf vorläufig sechs Spielstraßen freuen. Die erste findet am 15.05. in der Kattegatstraße statt. Alle weiteren Termine für Sperrmülltage und Spielstraßen findet ihr in unserem Veranstaltungskalender.

Text und Fotos: Kassandra Catrisioti-Forgione