Der Soldiner Kiez verliert einen Helden
Am 1. September 2023 verstarb das langjährige Vorstandsmitglied des Soldiner Kiez e.V., Thomas Brauckmann. Er war ein Local Hero im Kiez. Thomas Brauckmann erlag mit nur 65 Jahren einer kurzen, schweren Krankheit.
Thomas Brauckmann, geboren am 12. August 1958 in Dortmund, hatte lange in Kreuzberg gelebt und war in Schöneberg in der Hausbesetzer-Szene aktiv gewesen. 2003 flüchtete er vor einer Billigsanierung und dem zunehmenden Lärm aus dem Bergmannstraßen-Kiez. Daraufhin kam er zu uns in den Soldiner Kiez, und dort nach eigenen Worten „in eine ruhige, verkehrsgünstige Lage und eine sonnige 70 qm Wohnung, die in den letzten 100 Jahren außer Farbe keine Modernisierungen erfahren hatte. Die GESOBAU hat mir ein Bad und eine Gasetagenheizung eingebaut, und ich bin, so weit, so gut, eingezogen.“
Über Peter Slavik vom damaligen Medienhof-Theater (ebenfalls verstorben im März 2023 in Wien) fand Thomas Brauckmann den Weg zum Soldiner Kiez e.V. Seitdem war er im Verein aktiv und ab 2006 bis zu seinem Tod Mitglied des Vorstands. Beim „Talk im Kiez“ über die Zukunft des Soldiner Kiezes aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des Vereins im Juni 2022 saß er auf der Bühne. Wir verlinken hier das Video zum Talk.
Dank seiner Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit war Thomas Brauckmann der geborene Netzwerker: Er kannte alle, und er wusste alles, was im Kiez lief – oder eben auch nicht lief. Damit war er im Soldiner Kiez ein echter Local Hero. Darunter versteht man laut dem Geografen und promovierten Stadtteilforscher Olaf Schnur „Schlüsselpersonen, die die Aktivitäten vor Ort entscheidend prägen, da sie einerseits gut in die lokalen Netzwerke eingebunden sind (Sozialkapital) und andererseits über großes internes Wissen verfügen.“
Im Verein hat Thomas Brauckmann immer wieder mit seinen Anregungen geglänzt: Er schrieb den ersten Rundbrief, er knüpfte entscheidende Kontakte und kannte auch den Punkt, an dem es sich nicht vermeiden lässt, dem Bezirksamt die Stirn zu bieten.
Thomas Brauckmann hat unabhängig vom Soldiner Kiez e.V. die Kiezgalerie „Made in Wedding“ mit aufgebaut und stand vielen aktiv mit Rat und Tat zur Seite. Egal, ob es um Probleme mit dem JobCenter ging – immer wieder ein Thema im Soldiner Kiez –, oder ob ein Umzug, ein Transport von schweren, sperrigen Sachen oder Renovierungsarbeiten in Wohnungen anstanden.
Von 2015 bis 2019 lebte Thomas Brauckmann überwiegend in Westdeutschland, um seine demenzkranke Mutter Dorothea zu betreuen. Sehr gut befreundet war er mit Jovan Balov von der Kolonie Wedding (verstorben im Oktober 2022). Der Künstler und Galerist malte ein immer wieder ausgestelltes Portrait von Dorothea Brauckmann, das sich heute im Besitz der Familie Balov befindet.
Seit Mai 2023 litt Thomas Brauckmann nach einer Hirnhautentzündung unter massiven Sehbeeinträchtigungen. Immer wieder wurde er im Krankenhaus untersucht und bekam Medikamente. Diese schwächten sein Immunsystem. Ende August 2023 kam er mit 40 Grad Fieber erneut ins Krankenhaus und erlag nach einigen Tagen im künstlichen Koma der Infektion.
An die 100 Menschen wollten bei der Trauerfeier am 7. Oktober 2023 von Thomas Brauckmann in der Stephanuskirche Abschied nehmen: Angehörige, enge Freund/innen, Freund/innen aus Kreuzberg, Freund/innen und Nachbar/innen aus dem Soldiner Kiez, Mitglieder des Soldiner Kiez e.V., Mitglieder des Teams von „Made in Wedding“, Künstler/innen der Kolonie Wedding, Mitglieder des Freundeskreis Stephanus und alle anderen, die dem Local Hero die letzte Ehre erweisen wollten. Es sprachen neben Pfarrer Jürg A. Wildner: Eine Freundin aus Thomas‘ Kindertagen, zwei Freund/innen aus seiner Kreuzberger Zeit sowie Thomas Kilian vom Soldiner Kiez e.V. – dazwischen spielte Musik, die Thomas Brauckmann mochte. Nach der Feier gab es ein Beisammensein bei Kaffee und Kuchen im Café der PA 58. Statt Blumen wurde von Seiten der Angehörigen um Spenden für den Soldiner Kiez e.V. gebeten.
Thomas Brauckmanns Asche wurde eine Woche später beigesetzt – wunschgemäß in Westdeutschland bei seiner geliebten Mutter.
18.10.2023
Text: Diana Schaal und Thomas Kilian