Warum sich Thomas Kilian engagiert

Der Autor, Soziologe, Journalist, Philosoph und Kiezaktive Thomas Kilian tanzt auf vielen Hochzeiten und doch liegt ihm nur eine Sache ernsthaft am Herzen: der Stadtteil rund um die Soldiner Straße.

Gleich bevor das Gespräch beginnt, wehrt Thomas Kilian – nicht bescheiden, sondern ernsthaft - ab: „Ich bin kein Vorbild. Jeder muss das machen, was er mit seinen Voraussetzungen machen kann.“ Zum Beispiel hilft es ihm, seit einigen Jahren aufgrund einer psychischen Krankheit berentet zu sein. So hat er schlicht mehr Zeit als andere. Aber er nutzt seine Zeit eben auch.

Thomas Kilian im Kiez

Er nutzt seine Zeit gründlich. Für andere. Für den Kiez. Seit 2003 ist er Mitglied im Soldiner Kiezverein. Er schreibt auf der Webseite des Vereins über kiezpolitische Themen und ist seit 2006 für Buchhaltung und Kasse zuständig. „Ich habe ,Kiezreporter' von der Pike auf gelernt. Schon mit 16 Jahren habe ich bei den Fürther Nachrichten als Lokaljournalist gearbeitet“, erzählt er.

Als der Bezirk Mitte „Leitlinien für Bürgerbeteiligung“ erarbeitete, war Thomas Kilian bei den öffentlichen Arbeitsgruppen dabei. „Durch Beteiligung kann mehr Transparenz entstehen, es können besser legitimierte Entscheidungen hergestellt werden“, begründet er, warum er diese Arbeit für wichtig hält.

Er war aktiv bei „Wedding hilft“. Das Netzwerk, das im November 2014 im Soldiner Kiez in der Osloer Straße gegründet wurde, kümmert sich um Willkommenskultur. „Ich habe schwarze Bretter für eine bessere Kommunikation organisiert, habe zu Kegelabenden eingeladen oder bin mit Flüchtlingen ins Konzert gegangen“, beschreibt Thomas Kilian seine Mitarbeit im Netzwerk.

Gegen Vorurteile über den Soldiner Kiez schrieb er in Kiezzeitungen oder hielt den im Video festgehaltenen Vortrag: „Warum der Soldiner Kiez nicht gefährlich ist“.

Wichtig ist ihm auch die Erwachsenenbildung. In unregelmäßigen Abständen hält er Seminare, die über die Landeszentrale für politische Bildung finanziert werden. Und er lädt gerade wieder ein zu „philosophischen Cafés“. „Vor drei Jahren habe ich bereits eine solche Reihe gemacht, die hat mir auch geholfen, mein Buch zu schreiben.“

Thomas Kilian als Philosoph

Es wäre zu tief gestapelt, Thomas Kilian einfach nur als Autor zu bezeichnen. Sein Buch „Gesellschaftsbild und Entfremdung“ weist ihn als Philosophen aus, auch wenn er sich selbst gern als Soziologen sieht.

„Meine These in dem Buch ist: Ich biete ein Gesellschaftsbild an, von dem ich glaube, das man mit ihm besser zurechtkommt.“ Damit meint er: „Statt ein hierarchisches Bild von Gesellschaft, schlage ich ein Bild einer differenzierten Gesellschaft vor. Es geht nicht, immer nur mehr Wirtschaft und mehr Staat zu fordern, man muss Kultur und Bildung als eigenständige und vor allem gleichrangige Felder betrachten.“ Seine Motivation, das Buch mit dem Untertitel „Die Folgen unverarbeiteter gesellschaftlicher Komplexität“ zu schreiben, liegt in einer Furcht. „Ich habe Angst vor einem Einbruch. So wie das römische Reich einst untergegangen ist. Die Gefahr ist erst vorbei, wenn die Moderne vollendet ist. Und sie ist vollendet, wenn auch ihr Gesellschaftsbild modern ist.“

Das Buch mit 600 Seiten ist im Athena-Verlag erschienen und kostet 39,50 Euro.

Der Mensch Thomas Kilian

Die großen Fragen des Lebens haben Thomas Kilian bereits als Kind beschäftigt. „Ja, die Sinnfrage, die ist mir immer näher als naiver Materialismus.“ Das liegt auch an der religiösen Erziehung seiner Eltern im Landkreis Fürth bei Nürnberg in Franken. „Ich bin aus der Kirche ausgetreten, weil in unserem 3.000-Seelen-Dorf bei der Konfirmation alle Mitschüler nur an die Geschenke gedacht haben“, sagt Kilian spöttisch und ernsthaft zugleich. Denn gerade mit seinem Austritt aus solchen Gründen hat er vielleicht seine religiöse Lebenshaltung bewiesen. Er selbst sagt: „Ich bin Agnostiker.“ (Agnostiker sagen nicht, es gibt keinen Gott; sie sagen: ob es Gott gibt, kann der Mensch nicht entscheiden).

Nach Berlin kam Thomas Kilian 1995 nach seinem Studium in Hamburg. „Zuerst wohnte ich in der Osloer Straße – ich kam also gleich in den Soldiner Kiez. Seitdem lebe ich hier.“

Über sich selbst sagt er: „Ich bin mehreres. Ich bin patchwork-orientiert, kein Dichter, aber ein bisschen Journalist, ein bisschen Soziologe, ein bisschen Lehrer, ein bisschen Kieztratsche – ja es ist meine Idee, dass man mehrere Felder bespielen soll, wenn man die Möglichkeiten hat.“

Sein persönlicher Antrieb, sich mit großen Gedanken im Kopf auf der kleinen Ebene des Kiezes einzubringen ist: „Natürlich ist es für mich auch ganz einfach wichtig, etwas über Institutionen zu lernen, Menschen kennen zu lernen, Freunde zu finden und Gemeinschaft zu erleben.“

Weitere Infos:https://thomaskilian1966.wordpress.com

Thomas Kilian betreibt eine eigene Webseite.

9. Oktober 2017